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3 Texte der Hörstationen

Die Regenwürmer sind unter uns, tief unter uns. Aber manchmal, wenn wir barfuss auf einer Wiese stehen, steckt einer den Kopf heraus, direkt unter unseren Fusssohlen, und küsst uns auf die Haut, hihi, das kitzelt. Die wenigsten Leute wissen ja, was für freundliche Kerle die Würmer sind... Lies unten, wie der Text weitergeht, oder hör dir die drei Geschichten gleich an. Dazu musst du ganz runterscrollen, dann findest du sie unter "Downloads".


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Wir kennen uns besser aus, denn... Also jeder kennt die Geschichte von Konrad Lorenz und den Graugänsen, oder? Die Gans schlüpft aus dem Ei, und wen sie zuerst sieht, den hält sie für ihre Mutter und läuft immerzu hinterher, nicht wahr? So haben wir es mit einem Regenwurm gemacht, bloss dass Regenwürmer keine Augen haben – man muss ihnen nach der Geburt den grossen Zeh hinhalten. Sie berühren ihn mit ihrer Oberlippe und verlassen einen nie mehr, ehrlich. Natürlich kriecht unser Regenwurm – er heisst Erich – nicht neben oder hinter uns her. Er verfolgt uns unter der Erde. Man kann hingehen, wo man will: Erich schaut irgendwann aus dem Boden heraus und lacht sein leise knisterndes Wurmkichern, und manchmal, wenn es nieselt zum Beispiel, richtet er sich auf wie eine Klapperschlange, tanzt auf der Schwanzspitze und singt: «O Regenguss! Ach Ringelglück! Bin glitschig wie ein Seifenstück.» Einmal haben wir, um zu sehen, ob Erich wirklich überallhin mitkommt, auf der Leopoldstrasse ein Loch in den Asphalt gehackt, und – er war da. Bloss gelacht hat er nicht. Die U-Bahn war ihm übers Hinterteil gefahren, es war ganz platt. Ist es nicht komisch, dass er meistens guter Dinge ist? Wenige Tiere sind schärferer Verfolgung ausgesetzt als diese friedfertigen, geräuschlosen Geschöpfe – sei es durch Amsel, Drossel, Fink und Star, durch Spitzmäuse und sogar Tausendfüssler, auch durch gefrässige Maulwürfe (Sie legen Vorratskammern mit Würmern an, die sie so verstümmelt haben, dass sie zwar leben, aber nicht fortkriechen können). Ja, hätte so ein Wurm einen Giftzahn wie die Grüne Mamba, er könnte es den Anglern schon zeigen, die ihn bei lebendigem Leib mit ihren Haken durchbohren, diese gemeinsten aller Tierquäler, über deren Untaten kein Wort aus den Tierschutzvereinen zu hören ist!

Kleopatra schützte Regenwürmer
Grosse Kulturen konnten sich nur auf der Grundlage einer gesunden Landwirtschaft entwickeln. Dafür gibt es in der Geschichte viele Beispiele. In China hat es eine gezielte Humuswirtschaft mit Hilfe der Regenwürmer bis heute ermöglicht, viele Millionen Menschen (heute bereits über eine Milliarde Einwohner) ausreichend zu ernähren und die Böden gesund und ertragreich zu erhalten. In Ägypten existierte viertausend Jahre lang eine Hochkultur, die in der Lage war, mit sehr wenig landwirtschaftlich nutzbarer Fläche (nur im Uferbereich des Nil) viele Menschen zu ernähren. Sehr geholfen haben dabei die jährlichen Überschwemmungen des Nil, wobei fruchtbarer Schlamm, reich an mineralischer und organischer Substanz, abgelagert wurde. Dies schuf auch für Regenwürmer paradiesische Zustände. Sie verarbeiteten den Schlamm und sonstige organische Abfälle zu hochwertigem Humus. Dies zeigt auch ein Bericht aus dem Jahr 1949. Damals wurden im Sudan, im Tal des Weißen Nil Untersuchungen über die Aktivität der Regenwürmer gemacht. Es stellte sich heraus, daß in den sechs Monaten, in denen die Regenwürmer aufgrund der klimatischen Bedingungen (Hitze) aktiv waren, 300.000 kg/ha Kot an der Oberfläche der Böden abgesetzt wurden. Seit der Errichtung des Assuanstaudammes gibt es das nicht mehr. Heute werden in Ägypten Dünger in Fabriken hergestellt und diese statt des fruchtbaren Nilschlammes auf die Felder gebracht. Seitdem ist eine Abnahme der Gesundheit und Fruchtbarkeit der Böden mit all ihren Folgen für Pflanze, Tier und Mensch zu beobachten. Die alten Ägypter waren sich der Bedeutung des Nilschlammes und der Regenwürmer bewußt, sie verehrten die Regenwürmer sogar als heilige Tiere. Kleopatra erließ ein Verbot, Regenwürmer außer Landes zu bringen.

Regenwurmkillender Plattwurm
Ein regenwurmfressender Plattwurm versetzt Europas Gärtner in Angst und Schrecken. – Er wird bis zu l5 Zentimeter lang, gehört zum Stamm der Plattwürmer und trägt den wissenschaftlichen Namen Artioposthia triangulata. In den sechziger Jahren wurde er von Neuseeland nach Irland eingeschleppt. Seither hat er sich über Schottland und England bis nach Dänemark ausgebreitet. Seine Lieblingsspeise: Regenwürmer. Der fremde Plattwurm umschlingt seine Opfer und spritzt ihnen hochwirksame Verdauungsenzyme ein. Binnen kurzer Zeit verwandeln diese Substanzen das Innere eines Regenwurms in eine breiige Masse, die der räuberische Wurm schliesslich durch seine Mundöffnung aufsaugt. Gärtner in Irland mußten mitansehen, wie der neuseeländische Plattwurm innerhalb weniger Jahre die Regenwurmpopulationen vieler ihrer Beete völlig vernichtete. Regenwürmer spielen eine wesentliche Rolle bei der Humusbildung und der Bodendurchlüftung. Ihr Verschwinden könnte deshalb für die Fruchtbarkeit der Böden dramatische Folgen haben. In Mitleidenschaft würden auch alle Tiere gezogen werden, die von Regenwürmern leben, wie Maulwürfe und zahlreiche Vogelarten. Schon fahndet die Königliche Gesellschaft für Gartenkultur in Grossbritannien mit einem Steckbrief nach dem neuseeländischen Plattwurm – «Dead or alive!» Auch deutsche und schweizer Regenwürmer sind vor dem Würger aus Neuseeland nicht sicher. Weil die Einfuhrkontrollen innerhalb der Europäischen Union entschärft wurden, könnte der Schädling über ganz Nordeuropa verschleppt werden. Noch besitzt der neuseeländische Plattwurm bei uns keine natürlichen Feinde. Für Südeuropa besteht dagegen vorerst keine Gefahr: Der Regenwurmfresser vermehrt sich nur in feuchtkalten Gegenden.

Downloads:
Erich der Regenwurm (Audiodatei)
Kleopatra schützte Regenwürmer (Audiodatei)
Regenwurmkillender Plattwurm (Audiodatei)

Virtuelle Ausstellung:
Gefährdung